Die Welt entdecken mit Wohnmobil & Prothese
Claudia und ihr Mann haben eine besondere Art des Reisens für sich entdeckt: Mit Wohnmobil und Prothese durch die Welt.
Ein Beitrag von Claudia Hartlep
Seit sechs Jahren ist mein Mann Ingo (63) rechts unterschenkelamputiert, und seit vier Jahren sind wir überzeugte Wohnmobilisten:innen, obwohl wir zuvor nicht einen Tag Campingerfahrung hatten.
Viele überteuerte Angebote von angeblich barrierefreien Hotelzimmern hatten uns ins Grübeln gebracht. Auffällig war jedoch, wie entspannt die Leute in den Wohnmobilen immer aussehen, da muss doch was dran sein? Geht das auch für uns – mit Prothese und Zubehör? Das wollten wir wissen, und Ingo beschäftigte sich damit wochenlang im Netz.
Wichtig waren uns bei der Suche nach einem geeigneten Mobil viele praktische Gesichtspunkte, wie die Stufenanzahl ins und im Womo, ein geräumiges Bad, wenig Fächer im Fußboden (bücken) und dass so viele Funktionen wie möglich elektrisch auszuführen sind (Markise, feste Gasflaschen, elektrische Stufe bei der fahrenden Person). Wir fanden das Mobil für uns bei Carthago und ließen es noch optimieren. Nun reisen wir mit unserem „Willi“ und genießen es.
Unterwegs mit unserem Wohnmobil „Willi“
Ingo ist meist der Fahrer, denn mit dem zusätzlichen Linksgas ist das kein Problem. Die Ersatzprothese samt Zubehör liegt im Bett und die Badeprothese in der Dusche. Wir haben den kleinen Scooter dabei, wenn Laufen zu schmerzhaft ist, oder fahren mit den E-Rollern oder Fahrrädern, weil die Stellplätze häufig außerhalb sind. Ich bestehe dann darauf, dass Ingo das rechte Hosenbein hochkrempelt, damit die Prothese sichtbar ist, und erhoffe mir dadurch etwas mehr Rücksichtnahme für ihn.
Emilia und Konstantin, unsere Enkel, reisen sehr gern mit uns. Die Störtebeker-Festspiele auf Rügen verbinden wir jährlich mit einem Oma-Opa-Urlaub.
Unter den Wohnmobilisten:innen besteht eine große Hilfsbereitschaft, das schätzen wir besonders, seit uns einmal bei einem Unwetter mitten in der Nacht die Markise kaputtging. Sofort waren im strömenden Regen einige Campingnachbarn:innen zur Stelle und halfen uns. Manchmal wird Ingo auf seine Prothese angesprochen, aber das ist okay für ihn. Je nach Sympathie erzählt er dann, wie es dazu kam. Interessant ist es häufig für andere Campende, wie er das alles meistert mit dem Womo und welche technischen Erleichterungen wir an Bord haben. Dann ist Ingo in seinem Element, denn unser „Willi“ ist inzwischen, glaube ich, nahezu perfekt für uns. Unterwegs treffen wir auch manchmal Campende mit Rollatoren oder sogar Rollstühlen, warum auch nicht?
Alte und neue Ziele unserer Reise
In Deutschland haben wir schon sehr viele wunderschöne Städte und Gegenden bereist. Italien, Dänemark, Schweden, Norwegen, England, Frankreich und Holland hatten uns mit „Willi“ auch schon zu Gast. Strände sind wegen des schwierigen Laufens im Sand nicht optimal, und bei Städtetouren versuche ich im Vorfeld, zu erkunden, welcher Belag vorwiegend auf den Gehwegen ist. Leider fallen manche interessante Altstädte für uns weg, wenn sie nur aus Kopfsteinpflasterwegen bestehen. Aber man muss ja auch nicht alles gesehen haben. Wir sind sehr gern unterwegs.
Manchmal, wenn mir auf einem Stellplatz etwas mulmig zumute ist, stelle ich nachts die Prothese direkt innen vor die Tür, damit sich ein:e mögliche:r Einbrecher:in richtig erschreckt.
Wir freuen uns, diese Art des „Bildungs-Wohlfühl-Reisens“ entdeckt zu haben, und versuchen, so oft es die Schmerzen zulassen, unterwegs zu sein mit unserem großartigen „Willi“.