Natürlich kann eine Prothese ein gesundes Bein nicht ersetzen. Aber die moderne Prothetik kann Dir helfen, Einschränkungen auf das individuell mögliche Mindestmaß zu reduzieren und ein aktives, mobiles Leben zu führen. Egal ob schwach oder stark, körperlich inaktiv oder hochleistungsorientiert: Heute ermöglichen modernste, innovative Technologien, Formen und Verarbeitungstechniken eine optimale Versorgung, die sowohl Deinen individuellen Ansprüchen als auch Deinen medizinischen Anforderungen gerecht wird. Eine Beinprothese ist in der Regel modular aufgebaut, um die Beweglichkeit und Funktionalität des Beines zu imitieren. Außerdem ist dieses Konstruktionsprinzip flexibel: So können die einzelnen Komponenten perfekt auf Dich und Deinen Mobilitätsgrad, Deine Körperstatik und folglich Deiner Entwicklung im Rehabilitationsprozess abgestimmt und immer wieder angepasst werden. Eine Beinprothese besteht in der Regel aus einem Liner mit Anschluss-System, einem Schaft (individuell von TechnikerInnen für Dich hergestellt) sowie ggf. einem Knie und einem Fuß. Über die optionale Kosmetik wird schließlich die Optik der Gliedmaßen möglichst naturgetreu nachgebildet.

Die Mobilitätsgrade

Stell Dir vor, ein Leistungssportler bekäme eine Prothese mit einem starren Knie. Oder eine 80-jährige Seniorin eine Prothese mit einem Hochleistungsknie. Das kann nicht gut gehen, oder? Der Sportler könnte keine Hochleistung bringen und die Seniorin würde sich ziemlich unsicher fühlen. Um die für Dich perfekten Komponenten – sprich Prothesenpassteile – zu finden, wurden sogenannte Mobilitätsgrade entwickelt.

  • Mobilitätsgrad 1 Innenbereichsgeher
    Mit Hilfe einer Prothese ist es möglich, ebene Gehstrecken mit einer stark eingeschränkten Geschwindigkeit und Gehdauer zu bewältigen.
  • Mobilitätsgrad 2 Eingeschränkter Außenbereichsgeher
    Mit Hilfe einer Prothese ist es möglich, begrenzte Gehstrecken bei geringer Gehgeschwindigkeit zu bewältigen. Niedrige Umwelthindernisse wie Bordsteine, Stufen und unebene Böden können überwunden werden.
  • Mobilitätsgrad 3 Uneingeschränkter Außenbereichsgeher
    Mit Hilfe einer Prothese ist es möglich, sich ohne Einschränkung auf freiem Gelände zu bewegen. Mittlere bis hohe, teilweise auch variierende Gehgeschwindigkeiten können gewählt werden, um dabei die meisten Umwelthindernisse zu bewältigen. Es ist möglich, therapeutischen, beruflichen und freizeitlichen Aktivitäten nachzugehen, ohne die Prothese überdurchschnittlicher mechanischer Belastung auszusetzen.

Die Ermittlung Deines Mobilitätsgrades

Um Deinen Mobilitätsgrad zu bestimmen, berücksichtigt Dein(e) OrthopädietechnikerIn bzw. Dein Arzt/Deine Ärztin viele Faktoren. Dazu gehören beispielsweise Alter, Körpergewicht, körperliche Konstitution, Amputationshöhe, Stumpfbesonderheiten, ggf. Begleiterkrankungen oder Schmerzen. Einerseits geht es darum, den Ist-Zustand zu analysieren, andererseits wird sich Dein(e) OrthopädietechnikerIn Gedanken zum Soll-Zustand machen. Ziel ist es, Dir mit Hilfe der Prothese zu größtmöglicher Mobilität zu verhelfen. Hierbei spielen viele Aspekte eine Rolle und folgende Fragen gilt es zu beantworten. Wirst Du Dich hauptsächlich in der Wohnung/ im Haus aufhalten? Läufst Du überwiegend auf Ebenen oder hast Du Treppen und Steigungen zu bewältigen? Willst Du sportlich aktiv sein und ist dies für Dich realistisch möglich?

Alle Prothesenpassteile sind diesen Mobilitätsgraden zugeordnet. So können sich OrthopädietechnikerInnen an Deinen Bedürfnissen und an den Produkteigenschaften orientieren, um die für Dich geeigneten Passteile zusammenzustellen.

Mobilitätsgrad 1 Innenbereichsgeher

Mit Hilfe einer Prothese ist es möglich, ebene Gehstrecken mit einer stark eingeschränkten Geschwindigkeit und Gehdauer zu bewältigen.

Mobilitätsgrad 2 Eingeschränkter Außenbereichsgeher

Mit Hilfe einer Prothese ist es möglich, begrenzte Gehstrecken bei geringer Gehgeschwindigkeit zu bewältigen. Niedrige Umwelthindernisse wie Bordsteine, Stufen und unebene Böden können überwunden werden.

Mobilitätsgrad 3 Uneingeschränkter Außenbereichsgeher

Mit Hilfe einer Prothese ist es möglich, sich ohne Einschränkung auf freiem Gelände zu bewegen. Mittlere bis hohe, teilweise auch variierende Gehgeschwindigkeiten können gewählt werden, um dabei die meisten Umwelthindernisse zu bewältigen. Es ist möglich, therapeutischen, beruflichen und freizeitlichen Aktivitäten nachzugehen, ohne die Prothese überdurchschnittlicher mechanischer Belastung auszusetzen.

Mobilitätsgrad 4 Außenbereichsgeher mit besonders hohen Anforderungen

Mit Hilfe der Prothese ist es möglich, sich uneingeschränkt zu bewegen. Besondere Belastungen bei sportlicher Aktivität können uneingeschränkt bewältigt werden. Zudem können aufgrund der hohen funktionellen Anforderungen hohe Stoßbelastungen auftreten. Gehdauer und Gehstrecke sind unlimitiert.

Welche Prothese passt zu mir?

Verantwortlich für die Beratung sowie die Fertigung und Wartung Deiner Prothese ist Dein:e Orthopädietechniker:in. Du lernst ihn/sie in der Regel bereits im Krankenhaus kennen. Allerdings kannst Du frei wählen, von welchem Sanitätshaus du versorgt werden möchtest. Einige Sanitätshäuser haben sich übrigens auf die Versorgung mit modernsten Beinprothesen spezialisiert. Hier beraten Dich geschulte Experten, um die für Dich perfekte Lösung zu finden. In der Regel ist ein Probetragen von verschiedenen Prothesenpassteilen möglich. Bei der Auswahl der richtigen Prothesenpassteile spielen viele Faktoren eine Rolle. Entscheidend ist der Mobilitätsgrad, bei dem Orthopädietechniker:innen den Ist- und Sollzustand ermitteln, um gemeinsam mit Dir die bestmögliche Lösung zu finden. Auch Deine Alltagsaktivitäten sollten bei der Auswahl der Passteile eine Rolle spielen.

Silikonliner

Der Unter- oder Oberschenkel-Liner wird wie eine zweite Haut über den Stumpf gerollt. Über ein sogenanntes Anschluss-System stellt er die Verbindung zwischen Stumpf und Schaft her. Dabei muss er zwei wesentliche Funktionen erfüllen: Einerseits soll er zuverlässigen Halt des Schaftes gewährleisten und andererseits Schutz und Komfort bieten. Sprich: Er soll die Belastung gleichmäßig auf den Stumpf verteilen, ihn polstern und so vor Druckstellen und Überlastung bewahren. Dies ist insbesondere für Diabetiker oder Menschen mit Gefäßerkrankungen enorm wichtig.

Die Auswahl des richtigen Liners ist für eine perfekt sitzende Prothese entscheidend. Er bietet die Möglichkeit verschiedener Anschluss-Systeme und perfekten Halt. Außerdem schaffen die Materialeigenschaften des Silikons einen hohen Tragekomfort. Silikonliner gibt es für alle Mobilitätsklassen in verschiedenen Varianten – je nach Bedarf und Mobilitätsgrad mit und ohne Textilüberzug. Liner müssen regelmäßig geprüft und ggf. bei Abnutzung oder Veränderung der Passform ausgetauscht werden.

Die Vorteile von Silikon:

  • Das Material ist hochelastisch.
  • Durch diese hohe Dehnfähigkeit passt sich der Liner wie eine zweite Haut dem Stumpf an und sorgt für einen sicheren Sitz Deines Schaftes.
  • Der Silikonliner reduziert die Rotation im Schaft und reduziert Scherkräfte.
  • Gleichzeitig gewährleistet die Dehnfähigkeit einen großen Bewegungsspielraum.
  • Unterschiedliche Materialeigenschaften von weich bis fest ermöglichen eine optimale Polsterung des Stumpfes und eine verbesserte Druckverteilung.
  • Aktive Inhaltsstoffe erhalten die Feuchtigkeit und Geschmeidigkeit der Haut.
  • Medizinisches Silikon ist sehr hautverträglich und verursacht keine Allergien.
  • Das Material ist reißfest, haltbar und mit einer pH-neutralen Seife leicht zu pflegen.

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Prothesenschaft

Ein passender Schaft ist nicht nur für Deine Rehabilitation enorm wichtig. Je besser er Dir passt, desto weniger wirst Du Deine Prothese als Fremdkörper empfinden, und desto angenehmer wird es sein, sie zu tragen. Außerdem verbessert eine perfekte Passform die Kontrolle über Deine Prothese und trägt so zur Sicherheit bei. Um das zu erreichen, wird der Schaft immer individuell angefertigt.

Da sich die Form Deines Stumpfes vor allem in der ersten Zeit nach der Operation stark verändert, ist der erste Schaft immer temporär. Nach ca. sechs Monaten stabilisiert sich die Form des Stumpfes. Nach einer prothetischen Interimsversorgung ist dies der Zeitpunkt, zu dem der „endgültige“ Schaft für Deine Prothese angefertigt wird.

Und dennoch: Du wirst zeitlebens immer wieder einen neuen Schaft anfertigen lassen müssen. Die Abstände variieren – abhängig von Deinen individuellen Lebensumständen – zwischen wenigen Monaten bis hin zu mehreren Jahren. Fakt ist: Du solltest großen Wert darauflegen, dass Dein Schaft korrekt sitzt und Dir die bestmögliche Funktionalität bietet (Funktionalität vor Komfort).

Es gibt verschiedene Techniken zur individuellen Schaftgestaltung – Dein:e Orthopädietechniker:in wird Dich beraten.

Kniegelenke

Das physiologische Knie zählt zu den komplexesten Gelenken des menschlichen Körpers. Mit Hilfe der umliegenden Bänder, Sehnen und Muskeln sorgt es dafür, dass wir das Bein im Kniegelenk strecken und beugen können. Dabei knickt es nicht einfach ab wie ein Scharnier, sondern streckt sich in einer rollenden und gleitenden Bewegung nach vorn, kann sich bis zu 150 Grad nach hinten beugen und lässt auch leichte seitliche Ausgleichsbewegungen zu. Ein prothetisches Knie muss diese Funktionen nach einer Oberschenkelamputation, einer Knie- oder Hüftexartikulation übernehmen. Es wurde entwickelt, um die beiden Schlüsselphasen des natürlichen Gangs nachzuahmen:

  • Schwungphase, in der wir das Knie in der Vorwärtsbewegung frei beugen und wieder strecken
  • Standphase, in der wir das Gewicht beim Stehen wieder auf das Knie übertragen.

Sprich: Das Prothesenknie muss einerseits für Beweglichkeit sorgen und gleichzeitig für Stabilität und Sicherheit. Während einige Menschen ein Prothesenknie bevorzugen, das sich verriegeln lässt und sich somit sicherer anfühlt, setzen andere auf ein dynamisches Knie, welches sich natürlicher bewegt.

Welches Prothesenknie für Dich geeignet ist, wirst Du gemeinsam mit Deinem:Deiner Orthopädietechniker:in herausfinden. Wie bei allen anderen Komponenten sind auch hier Amputationshöhe, Mobilitätsgrad sowie Dein Sicherheitsbedürfnis entscheidend.

Füße

Statistisch betrachtet tragen uns unsere Füße im Lauf unseres Lebens dreimal um die Erde. Tagein, tagaus sind sie gefordert. Der Prothesenfuß muss die Eigenschaften des physiologischen Fußes ersetzen. Er soll dafür sorgen, dass wir so natürlich wie möglich laufen, die Kraft optimal übertragen wird und harte Stöße abgefedert werden. Um den für Dich perfekten Fuß zu finden, sind auch hier wieder Mobilitätsgrad, die Länge des Stumpfes, die körperliche Fitness und Deine künftigen Ziele entscheidend. Dein(e) OrthopädietechnikerIn wird berücksichtigen, ob für Dich Sicherheit und Stabilität oder Dynamik Priorität haben. Generell wichtig ist: Der Fuß sollte eine gute Energierückgabe haben, damit das Gehen nicht ermüdend und Deine erhaltene Seite entlastet wird.

Grundsätzlich unterscheidet man Elastomerfüße und Karbonfüße bzw. Karbonfederfüße. Ein Elastomerfuß ist bequem für gering aktive AnwenderInnen. Dahingegen gibt ein Karbon(feder)fuß die aus dem Auftritt gespeicherte Energie zurück und ermöglicht ein dynamisches Abrollen des Fußes bei hoher Energieeffizienz.

Kosmetik

Für eine Beinprothese sind nicht nur Passform, Funktionalität, Halt und Tragekomfort wichtig. Natürlich spielt auch das Erscheinungsbild eine wichtige Rolle. Über die optionale Kosmetik wird die Optik der Gliedmaßen möglichst naturgetreu nachgebildet. Hier unterscheidet man zwischen Standardlösungen und Maßanfertigungen. Eine Schaumstoffkosmetik wird in Verbindung mit einem Überziehstrumpf getragen. Sie werden meistens von den Krankenkassen übernommen. Silikon-Schutzüberzüge bieten über die optische Nachbildung von Venen, Haaren, Sommersprossen bis hin zum Tattoo zahlreiche Möglichkeiten. Auch gibt es individualisierbare Prothesencover, die das Aussehen der Prothese aufwerten können. Sie hingegen werden nur selten von den Krankenkassen übernommen.

Die perfekte Kombination

Jeder Mensch ist individuell und empfindet anders. Der Aufbau der optimalen Prothese hängt grundsätzlich von Deinem persönlichen Profil und Mobilitätsgrad ab. Dabei spielen viele Aspekte eine Rolle, wie z.B. Deine körperliche Konstitution, Deine Amputationshöhe, Dein Freizeitverhalten oder Lebensumfeld. Der:die Orthopädietechniker:in kennt Deine individuellen Voraussetzungen und die technischen Möglichkeiten der Prothesenpassteile. So kann beides bestmöglich kombiniert werden.

Hast Du Fragen an Techniker:innen, Therapeut:innen oder Anwender:innen?